Geschichte des Abendgymnasiums Saarbrücken

Gründung und Anfangszeit

Mit einer Feier in der Aula des damaligen Mädchengymnasiums Saarbrücken wurde am Nachmittag des 6. Oktober 1955 das Saarbrücker Abendgymnasium als staatliche höhere Lehranstalt eröffnet; die Ansprache hielten Ministerialdirigent Braun vom Kultusministerium und Dr. Maurer als Leiter der neuen Schule. Der Unterricht begann am darauf folgenden Dienstag, 7. Oktober 1955, im Gebäude der Oberrealschule Saarbrücken, des jetzigen Otto-Hahn-Gymnasiums.

In den ersten Monaten wurden an 4 Tagen (Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag) 5 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten (Unterrichtszeit 17.30 - 21.40 Uhr mit 4 Pausen) erteilt, seit Ostern 1956 werden jeweils 6 Unterrichtsstunden zu je 40 Minuten (Unterrichtszeit 17.15 - 21.35 mit 2 Pausen zu 10 Minuten) gegeben. Mittwoch und Samstag waren damals schon als Studientage zur Anfertigung der Hausaufgaben bzw. zur Vor- und Nachbereitung des Lehrstoffes unterrichtsfrei.

Struktur

Bis zur Abiturprüfung entsprach die Schulzeit zunächst der dreijährigen Oberstufe der Tagesschule. Bis 1957 war die Aufnahme von einer schriftlichen Prüfung in Deutsch und Rechnen abhängig. Bewerber mit Mittlerer Reife oder einer diesem Ausbildungsstand gleichwertigen Vorbildung waren von der Aufnahmeprüfung befreit. Seit 1958 wird keine Aufnahmeprüfung mehr durchgeführt, weil man die Zulassung nicht von einer doch verhältnismäßig kurzen einmaligen Prüfung abhängig machen will. Ein Kurs von zuerst halbjähriger Dauer wurde der dreijährigen Oberstufenzeit vorgeschaltet. Von Herbst 1967 an wurde dieser Vorkurs auf ein ganzes Jahr ausgedehnt, so dass seither die Schulzeit für einen Abendgymnasiasten in Saarbrücken in der Regel 4 Jahre umfasst: einen einjährigen Vorkurs, die Einführungsphase und die nachfolgende zweijährige Hauptphase analog dem Kurssystem am Tagesgymnasium, jedoch mit nur zwei Leistungs- und vier Grundkursen.

Voraussetzungen

In den einjährigen Vorkurs kann aufgenommen werden, wer den Hauptschulabschluss besitzt, eine abgeschlossene Lehre oder eine mindestens einjährige geregelte Berufstätigkeit nachweisen kann und mindestens 18 Jahre alt ist.

Zur einjährigen Einführungsphase zugelassen ist, wer die mittlere Reife besitzt oder den Vorkurs erfolgreich abgeschlossen hat, eine mindestens zweijährige geregelte Berufstätigkeit nachweisen kann, mindestens 19 Jahre alt ist und - falls nicht der Vorkurs absolviert wurde - den Nachweis erbringt, dass er/sie an einer allgemeinbildenden Schule (Gymnasium, Realschule, Gesamtschule) eine Fremdsprache von Klasse 5 bis 10 und eine zweite Fremdsprache von Klasse 7 bis 10 belegt hatte.

Für die Aufnahme in höhere Jahrgangsstufen gelten besondere Bedingungen, über die das Sekretariat der Schule bei Anfrage Auskunft erteilt.

1997

Nach der Schließung des Abendgymnasiums Dillingen im Jahre 1997 führt allein das Abendgymnasium Saarbrücken zur Allgemeinen Hochschulreife. Da in den angrenzenden Regionen von Rheinland-Pfalz kein Abendgymnasium existiert, kommen auch Schülerinnen und Schüler aus den Nachbargebieten - und sogar aus Frankreich - nach Saarbrücken. In den letzten Jahren besuchten jeweils zwischen 130 und 140 Schülerinnen und Schüler das Abendgymnasium Saarbrücken. Im Jahre 1997 war die stolze Zahl von 1.500 Abiturientinnen und Abiturienten erreicht. Hinzu kommen noch Schülerinnen und Schüler, die nach der Klassenstufe 12 mit der Fachhochschulreife die Schule verlassen haben.

Neben dem Unterricht finden auch regelmäßig außerschulische Veranstaltungen statt: geographische, kunsthistorische, historische und technisch-naturwissenschaftliche Exkursionen sowie gemeinsame Theaterbesuche als Ergänzung und Vertiefung des Literaturunterrichts.

Im Sommer eines jeden Jahres findet die Abiturentlassungsfeier statt, die den Höhe- und Schlusspunkt der Schulzeit darstellt. Nach Jahren fleißigen Arbeitens, in denen jedoch auch das gesellige Beisammensein nach dem Unterricht in einer nahe gelegenen Schulkneipe auf viele Studierende motivierend wirkt, wird nun stilvoll gefeiert. Zu diesem großen Fest, das seit Jahren ausschließlich von den jeweiligen Abiturienten gestaltet wird, kommen - anders als an den Tagesgymnasien - nicht nur Eltern, Großeltern und Freunde, sondern oft auch die Kinder und manchmal sogar die Enkelkinder der Abiturienten.

Eine zahlenmäßig kleine Schule hat auch ihre Vorteile. Der ganze "Betrieb" ist überschaubar, er gleicht einer großen Familie. Jeder kennt jeden. Die 13 Pädagoginnen und Pädagogen, die am Abendgymnasium Saarbrücken hauptamtlich unterrichten, kennen weitgehend die persönlichen Probleme der Studierenden (z. B. kranke Kinder, pflegebedürftige Eltern, Schwangerschaft, Scheidungen etc.) und versuchen zu helfen.

Ausblick

Das Abendgymnasium Saarbrücken bereichert die Vielfalt der saarländischen Schullandschaft um einen wichtigen Bereich, die Erwachsenenbildung. In über fünf Jahrzehnten hat die Schule etwa 1800 junge Menschen zum Abitur geführt, ein Beleg für die kulturelle und soziale Bedeutung des Gymnasiums in der gesellschaftlichen Situation des Saarlandes. Das Abendgymnasium als Erwachsenenbildungsstätte ist daher für das Ansehen unseres Bundeslandes von großer Bedeutung und auch in Zukunft unverzichtbar.

Die Schulleiter

Seit 1987 fungiert der Leiter des Otto-Hahn-Gymnaiums in Personalunion auch als Leiter des Abendgymnasiums. Die Geschäfte des Abendgymnasiums werden seit dieser Zeit von seinem Ständigen Vertreter geführt.

  • Dr. Adolf Maurer, (1955 - 1962)
  • Dr. Franz Ecker, (1962 - 1968)
  • Heinrich Robert Hax, (1968 - 1978)
  • Josef Fisch, (1978 - 1987)
  • Dr. Gerd Brosowski (1987 - 2011)
  • Bernd Bauer (2011 - 2018)
  • Dr. Thomas Diester (ab 2018)

      Ständige Vertreter des Schulleiters:

  • Helmut Remlinger (1987 - 2001)
  • Dr. Horst-Günther Klitzing (2001 - 2003)
  • Wolfgang Rekrut (2003 - 2015)
  • Hanns Peter Hofmann (seit 2015)

 

Literatur

Saam, Rudolf, “30 Jahre Staatliches Abendgymnasium Saarbrücken”, Saarbrücker Hefte, Nr. 57/1985, S. 101 - 116.

Aus den Jahresberichten des ersten Schulleiters Dr. Adolf Maurer

Schuljahr 1955/56

Die Geschichte des Abendgymnasiums beginnt Im Herbst 1955. Auf zahlreiche Anfragen strebsamer junger Leute entschließt sich die Regierung, auch im saarländischen Raum eine Ausbildungsstätte für begabte Berufstätige zu schaffen.

Der mit der kommissarischen Leitung des zu gründenden Abendgymnasiums beauftragte Oberstudienrat Dr. Maurer beginnt an ersten September 1955 im Gebäude der Oberrealschule Saarbrücken mit der Aufnahme. Dabei zeigt sich, daß der Plan begeisterten Widerhall vieler Bewerber findet. Die Abendschüler kommen zur Hälfte aus Bergmanns- und Fabrikarbeiterkreisen. Der Anteil der akademisch gebildeten Eltern ist unter 4 %, Die Schüler sind zur knappen Hälfte selbst Arbeiter. Der Anteil der Volksschüler beträgt 50 %. Während der Aufnahme laufen zahlreiche Besprechungen über die äußere und innere Gestaltung der Schule, die in drei Schultypen zu "einer echten Reifeprüfung" führen soll. Auch ein Besuch des kommissarischen Leiters in Düsseldorf und Dortmund dient der allgemeinen und besonderen Orientierung. Als Niederschlag all dieser Besprechungen kann der Entwurf eines ersten Merkblattes vom 24. 2. 1956 dienen. Am 26. 9. 1955 findet im Ludwigsgymnasium die erste Aufnahmeprüfung statt. Von den 194 angemeldeten Bewerbern sind 17 von der Prüfung befreit, und von den 151 zur Prüfung erschienenen bestehen 99. Am Donnerstag, dem 6. 10. 1955 um 17.45 Uhr findet in der Aula des Mädchenrealgymnasiums Saarbrücken die feierliche Eröffnung des Abendgymnasiums mit 119 Schülern statt. Der ministerielle Erlaß zur Gründung datiert vom 5. 10. 1955. Referent für das Abendgymnasium ist Herr Oberschulrat Quack.

Der Unterricht wird in fünf Klassen (zwei realgymnasialen und drei Oberrealschulklassen) erteilt. Ab Ostern 1956 wird die bisher nur in einigen Stunden selbständig geführte gymnasiale Klasse unter möglichst großer Unterrichtskombination mit einer realgymnasialen als eigene Klassen ausgesondert. [...]

Das Schulgeld beträgt 4000 Frs. Die ersten Zeugnisse nach besonderem Muster gibt es bei relativ guten Leistungen Ostern 1956.

Der Unterricht schließt (nach einer ersten gesellschaftlichen Feier vom 14. 7. 1956 in der Bastei) am 19. 7. 1956 nach Zu- und Abgängen mit 103 Schülern. Der Unterrichtsbedarf liegt bei 140 Wochenstunden, die von dem hauptamtlichen Leiter und 21 nebenamtlich beschäftigten Herren erteilt werden. Die Stundenvergütung liegt bei 900 Frs. [...]

Schuljahr 1956/57

Am 28. 6. 1956 findet die zweite Aufnahmeprüfung statt. Von 164 zugelassenen Bewerbern sind 35 befreit und 45 bestehen nicht. Zum Unterrichtsbeginn am 3. 9. 1956 treten somit wieder 119 Schüler neu ein.

Zu den sechs Klassen kommen fünf (eine gymnasiale, zwei realgymnasiale und zwei Oberrealklassen) hinzu. Der Zustrom zum Abendgymnasium zeugt von einem in allen Bevölkerungsschichten bestehenden Ausbildungsbedürfnis. [...]

Die Vergütung der Unterrichtsstunden mit 900 Frs., die sich durch Abzüge beträchtlich verringert, führt im Kollegium zu ausgiebigen Debatten. [...]

Die Erfahrung beim Mitbenutzen der Sammlungen des Hauses machen den Aufbau eines eigenen Lehrmittelbestandes wünschenswert. Auch der Aufbau des Sekretariats macht Fortschritte. Am 5. 8. 1956 beantragt die Schulleitung ein eigenes Unterrichtsgebäude für das Abendgymnasium. [...]

Schuljahr 1957/58

Aus Anlaß der zweijährigen Wiederkehr des Gründungstages findet am 5. 10. 1957 eine Abendveranstaltung im Kreiskulturhaus satt, die durch einen kleinen Schülerchor unter der Leitung von Herrn Kollege Preiß verschönert wird.

Am 28. 10. 1957 wird dem Abendgymnasium vorübergehend ein Ostabiturientenkurs verwaltungsmäßig angegliedert.

Schuljahr 1958/59

Das Schuljahr beginnt nach Wechsel in der Referentenbesetzung für das Abendgymnasium mit einer einschneidenden Veränderung des inneren Aufbaus. Auf Grund eines Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 27./28. 6. 1957 wird ein halbjähriger Vorkurs vor den dreijährigen Hauptkursus geschaltet. [...]

Die erste Reifeprüfung am Abendgymnasium beginnt mit der schriftlichen Prüfung vom 25. - 30. 9. 1958 und endet mit der mündlichen Prüfung vom 24. - 28. 10. 1958. Ausgeschieden werden von den 55 Bewerbern vor der schriftlichen Prüfung zwei, vor der mündlichen Prüfung vier und nach der mündlichen Prüfung vier, also insgesamt 10 Prüflinge, darunter zwei Abendschülerinnen. 45 Kandidaten bestehen, davon vier mit gut und 25 mit befriedigend. Die erste Abschlußfeier findet am 30. 10. 1958 in würdiger Form statt. [...]

Schuljahr 1959/1960

[...] Durch Verfügung der Regierung  vom 6. 4. 1959 wird Religion  verpflichtendes Unterrichtsfach. [...] Der neue Satz von 6 DM für die Unterrichtsstunden der nebenamtlich Beschäftigten wird als große Härte empfunden und droht im November 1959 unangenehme Folgen für das Abendgymnasium zu haben. [...] Zu den gelegentlichen Besuchen wertvoller Abendvorträge und Kinovorstellungen tritt als erste Lehrfahrt im kleineren Kreise am 24. 6. 1959 eine Wanderung nach dem Weiselberg. Am 17. 7. 1959 findet im Kreiskulturhaus Saarbrücken das zur Tradition gewordene gesellschaftliche Zusammensein statt.

Schuljahr 1960/61

[...] Eine für Juli 1961 vorgesehene Fahrt zu den Loreley-Festspielen fiel wegen Wegfall der Dampferfahrt aus. In den Sommerferien unternehmen die Herren Saam und Hax eine fünftägige Wolfram-Fahrt [auf den Spuren des Dichters Wolfram von Eschenbach]. Ihr folgen in den Monaten September und Oktober eine Vogesen- und eine Eifelfahrt.

Schuljahr 1961/62

[...] In den Monaten Juni - September werden wieder von den Abendschülern sehr geschätzte Lehrfahrten nach Straßburg, Frankfurt/Wetzlar (Goethe-Fahrt) und Lothringen unternommen. Am 29. September 1961 findet in einer ansprechenden Feier, an der Herr Ministerialrat Quack teilnimmt, die Verabschiedung des ersten Direktors des Abendgymnasiums, Dr. Maurer, statt. [...]

Dank der laufenden Geldzuteilung durch die Regierung wird der Lehrmittelstand der Schule auf erfreuliche Höhe gebracht, so daß der kleine Raum des Sekretariats (5,5 x 3 m) trotz einiger Schränke (2 Rollschränke, ein Klassenschrank, 2 Bücherschränke, ein Mathematikschrank, 8 Physik- und Chemieschränke) immer enger wird.

Am 16. 4. 1962 übergibt der erste Direktor der Schule die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger, Herrn Oberstudienrat Dr. Ecker.